von Tycho Schottelius –
Über die eigene Musik schreiben, ist wie sich selbst betrachten, wenn man zu Architektur tanzt. Fachspiegelschrift. Da man in einer Musikgruppe nicht allein ist, kann man die anderen beobachten. Beim Musizieren wäre das dann eben: das Zuhören. Selbst ein Instrument spielen, einen Klang äussern, Schall produzieren, aber mit dem Gehör beim Anderen bleiben, sich beeinflussen lassen. Agieren und Reagieren. Allianzen und Hierarchien bilden, zerfallen lassen und rekombinieren. Outputs zu Inputs zu Feedback-Schleifen zu Outputs, um Inputs zu schaffen für Menschen die gerne zu Architektur tanzen.
Als Musiker/Künstler stehen wir alle vier knietief im Morast des Kulturbetriebs. Manchmal reicht das Fahrwasser gar bis zum Hals. Wir arbeiten am Theater, produzieren akustische und elektronische Musik, schaffen Filme, veranstalten Veranstaltungen; agieren in Filmen, auf Bühnen, editieren in Kammern. Wir bringen Tonträger raus, fangen Klänge ein, archivieren, verdichten und verstreuen. Was man halt so macht, wenn man nicht anders kann.
Christoph Clöser`s Instrument im Nest ist das Saxofon. Dieses präsente, vordergründige, mit Klischees beladene Melodie-Instrument. Es ist bei weitem nicht sein einziges beherrschtes Musikinstrument, aber ganz klar das Wesentlichste. Das, woran ihm am meisten gelegen ist, an dem er am intensivsten arbeitet und dessen Repräsentation ihm so sehr am Herzen liegt. Da geniesst man die frischen Impulse von vertrauten Mitmusikern, von Mitstreitern aus dem Dunstkreis.
Gerald Mandl`s liebstes Gerät im Nest ist die Bass-Gitarre. Sein Bindestück von Melodie und Rhythmus. Körperhaft, tieffliegend und umgeben von betretenen Klangformungs-Objekten. Ein Nest im Nest, bestpositioniert zwischen Omnipräsent und minimal schleifend. Basis verschaffend, gibt er den Anderen Grund zum Austoben.
Thomas Mahmoud lässt sich genüsslich einladen „da drüberzugehen“. Sein Instrument der Wahl ist der Audio-Sampler. Er füttert ihn mit Geräuschen seiner direkten Umgebung. Die Herkunft ist dabei gleichgültig im besten Sinne. Was passt, passt, alles weitere wird passend gemacht. Melodien, Rhythmen, Sounds und Texturen. Manchmal ist da auch Wort, Sprache und Gesang dabei. Alles ist jederzeit und vor allem auch gleichzeitig möglich. Dadurch stellt er sich und der Gruppe Aufgaben, legt Stolpersteine, baut aber auch Plattformen.
Zwischen all diesen Strukturen den Weg auszulegen, ist nun meine Arbeit, die des Musik- Produzenten. Wobei sich das nicht aufs Abmischen und Editieren beschränkt. Vorwiegend elektronische Klangerzeuger wollen im Kontext verdreht und getriggert werden. Signale werden manipuliert, verfremdet oder ausgestellt. Das Archiv wird gepflegt und im geeigneten Moment befragt. Es gilt viel zu beachten und einer muss schließlich den Überblick behalten.
The Nest versteht sich nicht als loses Kollektiv. Wir sind eine feste Besetzung. Wobei dadurch weder Andere noch andere Aspekte unseres eigenen Schaffens ausgeschlossen werden. Wir verschanzen uns selbstverständlich nicht hinter Genre-Grenzen und begreifen Kunst immer als Interdisziplinär. What you call it: Jazz, Elektroakustik, Soundtrack, Dub, Performance, Production, Experiment or simply music.
Wir konstruieren Emissionen, behaupten Reize und stellen diese zur ständigen Disposition aus. The Nest ist verlässlich, wenn es sich auf nichts verlässt. Alles zurücklässt und sich dabei kontinuierlich auf sich selbst bezieht. Im festen Glauben dadurch tatsächlich selbstständig, unabhängig und jederzeit handlungsfähig zu werden, ist The Nest natürlich politisch. Es ist zu jeder Zeit das beste aller Systeme und damit nicht weniger als unsere gemeinsame Utopie.
All tribes welcome. Wir freuen uns sehr Dir in Moers 2015 zu begegnen. Es ist alles da, zieh es Dir rein und spiel Dir Deinen eigenen Film.